Rankings begleiten die Agenturlandschaft seit Jahrzehnten – als vermeintlich objektive Orientierungshilfe, zunehmend aber auch als strategisches Marketinginstrument. Zwischen Transparenzversprechen und taktischem Kalkül verschwimmen die Grenzen. Dieser Beitrag beleuchtet kritisch, welchen Wert Branchenrankings tatsächlich bieten, wo ihre systematischen Grenzen liegen und welche Schlussfolgerungen wir für uns daraus ziehen.

Ein Blick auf die aktuelle Wirtschaftslage genügt

Die wirtschaftliche Situation ist für viele Agenturen derzeit außerordentlich herausfordernd und von starken Schwankungen geprägt. Kunden kürzen Budgets oder stellen Projekte komplett ein, was zu unvorhersehbaren Projektverläufen führt. Der Wettbewerbsdruck und resultierende Preiskämpfe verstärken den Margendruck erheblich, während die allgemeine Planungsunsicherheit langfristige Strategien und Personalentwicklung erschwert.

Auch wir haben unsere Herausforderungen zu meistern und spüren täglich die Auswirkungen dieser volatilen Marktbedingungen. In diesem angespannten wirtschaftlichen Umfeld gewinnen Branchenrankings eine zusätzliche Dimension: Sie werden nicht nur als Orientierungshilfe, sondern zunehmend als existenzielles Marketing-Instrument betrachtet, das über Sichtbarkeit und potenzielle Kundenakquise entscheiden kann.

Die Vielfalt der Ranking-Systeme: Ein methodisches Dickicht

Die deutsche Agenturlandschaft wird durch verschiedene Ranking-Systeme vermessen, die unterschiedliche Schwerpunkte setzen:

  • Honorarumsatz-basierte Rankings: z.B. PR-JOURNAL-Ranking und das BVDW-Internetagentur-Ranking fokussieren primär auf gemeldete Honorarumsätze.
  • Qualitative Bewertungssysteme: Plattformen wie Agenturtipp.de kombinieren Kundenbewertungen, Zertifizierungen und eigene SEO-Sichtbarkeit.
  • Kreativrankings: Basieren auf Erfolgen bei Wettbewerben wie Cannes Lions oder ADC Deutschland, mit komplexen Punktesystemen.

Die Unterschiede in der Methodik machen es nahezu unmöglich, Rankings untereinander zu vergleichen oder als absoluten Maßstab zu betrachten. Ein Platz in der Top 50 eines Rankings sagt wenig darüber aus, wo eine Agentur in einem anderen steht – oder wie erfolgreich sie tatsächlich arbeitet.

Die Schattenseiten der Ranking-Ökonomie: Verzerrung mit System

Rankings präsentieren sich als objektive Messinstrumente, doch ihre Konstruktion führt zu systematischen Verzerrungen mit weitreichenden Konsequenzen:

Strukturelle Verzerrungseffekte

  • Selbstselektion der Teilnehmenden: Wer schlechte Zahlen hatte oder Fristen verpasst, taucht schlicht nicht auf – was zu einer systematischen Überschätzung der Branchenperformance führt.
  • Umsatzfokus: Die Konzentration auf bloße Honorarumsätze ignoriert Profitabilität, Kundenzufriedenheit oder Innovationskraft.
  • Größenvorteile: Größere Agenturen können mehr Ressourcen in die Ranking-Teilnahme investieren, während kleinere Spezialisten trotz exzellenter Arbeit unsichtbar bleiben.
  • Zeitliche Verzögerung: macht Rankings zu Rückspiegeln – die Realität ändert sich oft schneller, als sie abgebildet wird.
  • Methodische Intransparenz: Viele Rankings offenbaren ihre genauen Berechnungsmethoden nicht, was strategische Anpassungen und Manipulation ermöglicht. Zudem haben besonders Kreativrankings kaum vergleichbare Bewertungssysteme.
  • Kommerzielle Interessen: Bei zahlreichen Rankings besteht ein direkter oder indirekter Zusammenhang zwischen Teilnahme/Platzierung und Werbebudgets bei den herausgebenden Medien.

Das "Ranking-Paradox"

Besonders problematisch: Je erfolgreicher Rankings als Orientierungsinstrument werden, desto stärker werden sie zum strategischen Marketinginstrument – und verlieren dadurch genau die Objektivität, die ihren ursprünglichen Wert ausmachte. Rankings liefern Momentaufnahmen, aber kein vollständiges Bild von Leistungsfähigkeit, Kultur oder nachhaltigem Erfolg.

Neue Bewertungsansätze: Qualität statt Quantität

Die Zukunft der Branchenrankings liegt somit in einer stärkeren Berücksichtigung qualitativer Kriterien:

  • Kombinierte Bewertungsmodelle: mit Faktoren wie Kundenzufriedenheit, Wachstum und Innovationskraft.
  • Branchenverbände und Zertifizierungen: Verbände wie GWA, GPRA und BVDW etablieren Qualitätsstandards.
  • Spezialisierungen und Kompetenzfelder: Detaillierte Auswertungen, die Expertise in Teilbereichen sichtbar machen.
  • Datenbasierte Bewertungsansätze: z.B. durch Tools, die Leistung in Echtzeit abbilden.
  • Kundenfeedback und -bewertungen: Authentische Einblicke in die tatsächliche Leistungsfähigkeit einer Agentur.

Derartige Ansätze fördern Vergleichbarkeit, ohne Komplexität zu simplifizieren – und bringen Rankings ihrem eigentlichen Ziel näher: Orientierung zu schaffen.

Unsere eigene Ranking-Erfahrung: Wachstum und Lernkurve

Auch wir haben unsere eigene "Ranking-Reise" erlebt und können die Entwicklung aus erster Hand nachvollziehen:

  • W&V, Horizont und GWA - Top 50 der inhabergeführten Agenturen: 
    Von Platz 35 (2017) auf Platz 16 (2024)
  • BVDW-Internetagentur-Ranking: von Platz 118 (2018) auf Platz 38 (2024) – ein Sprung um 80 Plätze
  • Subranking Digitale Werbung & Kommunikation: Erstmals dabei und direkt Platz 17
  • Ausbildungsquote: Kontinuierlich unter den Top 3 – ein Qualitätsmerkmal, das uns wichtiger ist als Umsatz allein

Gleichzeitig erleben wir selbst die Inkonsistenzen des Ranking-Systems: Im aktuellen iBusiness-Ranking von 2024 sind wir, trotz erfüllter Kriterien, nicht gelistet, obwohl eine Platzierung im oberen Drittel (Platz 15) realistisch gewesen wäre. Diese Erfahrung unterstreicht die methodischen Herausforderungen, mit denen Rankings konfrontiert sind.

Rankings sind weder gut noch schlecht – sie sind ein Instrument.

Fazit: Branchenrankings richtig einordnen

Sie geben Einblick in Marktbewegungen, schaffen Sichtbarkeit und können Orientierung bieten. Doch sie können die Komplexität und Qualität von Agenturleistungen nur unvollständig abbilden.

Für uns gilt: Rankings sind nicht das Ziel, sondern ein Indikator. Wichtiger als Platzierungen ist für uns die konsequente Arbeit an Qualität, Transparenz und Vertrauen – und der Anspruch, unsere Leistungen nachvollziehbar und wirksam zu gestalten.

Die Zukunft von Branchenrankings liegt in der Verbindung von quantitativen und qualitativen Kriterien, unterstützt durch datenbasierte Transparenz. Erst dann können sie das leisten, was sie versprechen: Orientierung in einer komplexen Branche.