Die Arbeit an innovativen Forschungsprojekten hat bei queo Tradition, die auf einer engen Zusammenarbeit mit der TU Dresden basiert. Das gibt uns die Chance immer wieder über den Tellerrand hinauszublicken, neue Konzepte zu erforschen und den Ansporn, Trends stets auf der Spur zu bleiben.

VISKOMMP ist eines der aktuellen Forschungsprojekte, das von queo in Zusammenarbeit mit der Professur für Mediengestaltung der Technischen Universität Dresden geleitet und von der EU gefördert wird. Ziel des Projekts ist die Erforschung und Entwicklung eines visuellen, kollaborativen Multi-Meeting-Protokollsystems im Sinne eines Organizational Memory Information System (OMIS).

Auch wenn dieser Begriff zunächst sperrig klingt, bietet dieser Forschungsgegenstand ein riesiges Potenzial, den Arbeitsalltag zukünftig enorm zu unterstützen und zu erleichtern.

Wie genau, erklären Janine Kasper und Felix Thalmann, Wissenschaftliche Mitarbeiter der Professur für Mediengestaltung der TUD, sowie Andreas Wetzel, der das Forschungsprojekt auf der Seite von queo begleitet.

Womöglich können sich viele Leser unter der abstrakten Definition des Forschungsprojekts erst einmal wenig vorstellen. Deswegen möchte ich euch zum Einstieg ganz banal fragen: Worum genau geht es bei VISKOMMP?

Andreas: Es geht um die Visualisierung von Inhalten aus einer kollaborativen Inhaltserfassung, also in der Regel Meetings oder andere Protokollkontexte. Protokollierung soll intuitiver und somit vereinfacht werden, um in Zukunft über stupides Mitschreiben hinausgehen zu können. Hinterher sollen die Inhalte visualisiert und miteinander verknüpft werden, sodass Wissen langfristig erhalten bleibt, das in Meetings gesammelt wird. Dabei ist das Ziel mehr als ein Wiki mit Erweiterung durch künstliche Intelligenz, da wir schon bei der Eingabe innovative Methoden nutzen wollen.

Felix: Die Protokollierung im Meeting aber auch die Vor- und Nachbereitung im Meeting soll unterstützt werden. Es sollen zum Beispiel Schnittstellen zu Inhalten gebildet werden, die bereits vorhanden sind. Die Kunst ist hier, zahlreiche Quellen zu verknüpfen, sodass eine zentrale Wissensdatenbank geschaffen wird, in der Inhalte eingespielt aber auch schnell wieder abgerufen werden können.

Janine: Zusammengefasst sind die Schwerpunkte die intuitive Nutzungsweise und die thematische, projektübergreifende Verknüpfung. Wir wollen vermeiden, dass in Zukunft Protokolle in irgendwelchen Ordnern verschwinden, denn sehr oft ziehen sich Themen durch das Unternehmen und haben Zusammenhänge, die leider im Gedächtnis der Mitarbeiter verloren gehen. Diese wollen wir zugänglich und nutzbar machen.

Felix: Das Stichwort ist hier auf jeden Fall auch Big Data – wie können unendliche viele Daten wieder so aufbereitet und abgerufen werden, dass sie dem Einzelnen auch wirklich etwas bringen?

Wie kam es zu dem konkreten Forschungsgegenstand von VISKOMMP? Wie und wo genau ergab sich der Bedarf, hier wissenschaftlich tätig zu werden?

Janine: Es gab bereits zwischen queo und der TU Dresden das Forschungsprojekt VIZAMP – damals ging es um die Visualisierung von agilem Multi-Projektmanagement. Dort wurden die Organisation sowie der Kommunikations- und Informationsfluss in Unternehmen betrachtet. Dadurch ist VISKOMMP durchaus ein Folgethema dieses Forschungsprojekts. VIZAMP gab nach dem Abschluss des Forschungsprojekts die entscheidenden Impulse für barbuda – der Projektmanagement-Lösung von queo. VISKOMMP wiederrum könnte Informationen nutzen, die in barbuda gespeichert sind.

Der Kern des Vorhabens liegt darin, intelligente semantische Verfahren in Zukunft bei der Sicherung von Unternehmenswissen zu nutzen. Einer der Kernpunkte wird ein innovativer Protokoll-Editor sein. Wie genau kann das konkret aussehen?

Felix: Aktuell befinden wir uns noch in der Konzeptionierungsphase und sammeln dabei viele Ideen, weshalb das Projekt noch sehr modularisiert ist. Das System würde aus vielen Daten aus unterschiedlichsten Quellen genährt werden. Deswegen haben wir ein Konzept erstellt, bei dem wir zum Beispiel zu dem Schluss gekommen sind, dass der Zeitfaktor in Form einer Timeline  automatisiert werden kann. Andererseits könnte das System Elemente einer Social-Media-Plattform haben. Jeder Nutzer hätte ein eigenes Profil, aus dem heraus er getaggt werden könnte, um so semantische Verknüpfungen zu schaffen. Eine Möglichkeit wäre da eine Art Hashtag-Prinzip oder Autocomplete-Funktionen. Wenn der Nutzer etwas schreibt, könnte das System sofort anzeigen, welche Zusammenhänge mit früheren Protokollen bestehen und so eine Wissensbasis schaffen. Aber hier muss immer bedacht werden, dass man den Nutzer mit einer Vielzahl von Informationen nicht überfordern darf und so filtert, dass nur das auftaucht, was wirklich relevant ist.

Andreas: Ein weiterer wichtiger Punkt ist die technische Bereitstellung und Anbindung von Schnittstellen. Das können externe Systeme wie Datenbanken, Kalendersysteme und Aufgabenverwaltungstools sein, aber auch innerhalb des Meetings zwischen verschiedenen Geräten. Wir möchten zum Beispiel versuchen, die Smartphones der anwesenden Nutzer zu integrieren, sodass man zum Beispiel schnell ein Foto ins Protokoll einfügen kann, ohne Umwege gehen zu müssen. Außerdem sollen Daten, die bereits vorher abgelegt wurden, direkt ins Protokoll eingefügt werden können.

Nach der Initiierungsphase wird seit einigen Monaten intensiv im Projekt gearbeitet. Welche Ziele habt ihr bereits erreicht und welche Methoden nutzt ihr dabei?

Felix: Am Anfang war die Recherche relativ breit und wir haben dabei unsere Fühler in alle Richtungen ausgestreckt. Dann haben wir relativ schnell manche Technologien ausgegrenzt, wie Virtual oder Augmented Reality, da die notwendige Reife hier noch nicht gegeben ist. Wir haben Nutzerstudien und Befragungen durchgeführt. Dazu haben wir untersucht, wie beispielsweise Studenten Vorlesungen mitschreiben und daraus weitere Erkenntnisse gewonnen. So wächst ganz implizit die Anforderungsliste mehr und mehr, aus der wir bereits einen guten Rahmen entwickeln konnten.

Janine: Wir haben dabei prinzipiell eine Dreiteilung der Anforderungen identifiziert: Einen Protokolleditor zur Erfassung der Daten, einen Protokollbrowser, der mit einer Suchfunktion die Zusammenhänge der Daten darstellen kann und eine Wissensdatenbank, die hinter allem steht und in die die Daten einfließen. Mit dem Grobkonzept zum Editor sind wir schon auf einem sehr guten Weg. Als nächster Schritt kommt die Arbeit am Browser, in dem dann die Verknüpfungen und Verflechtungen eine Rolle spielen. Aber auch wenn wir diese Dreiteilung vornehmen, fließen die verschiedenen Funktionen immer wieder zusammen. Deswegen müssen die Konzepte immer wieder an den richtigen Stellen zusammengeführt werden.  Das ist eine spannende Herausforderung.

Andreas: In der Analyse sind wir schon sehr weit gekommen. Wir haben die Stärken und Schwächen in der aktuellen Protokollführung identifiziert, um an dieser Stelle ansetzen zu können. Daraufhin konnten wir schon ein Grobkonzept entwickeln, das die Basis für die weitere Arbeit sein soll. Aktuell ist vieles noch Kopf- bzw. Recherchearbeit, was aber zu Beginn eines Forschungsprojekts nichts Ungewöhnliches ist. Man muss sich zunächst an den Forschungsschwerpunkt herantasten, den Status quo analysieren und relevante Themen identifizieren. Das Spezielle an VISKOMMP ist, dass wir unser eigener Forschungsgegenstand sind, indem wir uns selbst beobachten können, wie wir Besprechungen abhalten und dort Informationen sammeln und bereitstellen – das ist eine sehr spannende Metaebene. So kann man sich gleich darüber im Klaren werden, welche Werkzeuge in diesen Situationen  in der täglichen Arbeit fehlen.

Mal in die Zukunft gesponnen: Was wird wohl auf dem Gebiet der intelligenten Wissensverknüpfung in Zukunft möglich sein und wie können Menschen und Unternehmen in Zukunft davon profitieren?

Janine: Ein ganz wichtiger Aspekt ist der Wandel in der Arbeitswelt. Früher waren Arbeitnehmer über Jahrzehnte im gleichen Unternehmen beschäftigt und konnten das Wissen entsprechend aufbauen und weitergeben. Das hat sich sehr verändert. Auch hier könnte ein solches System einen sehr großen Nutzen bringen.

Felix: Die grundlegende Frage ist, welche Aufgaben man Menschen heute schon abnehmen kann. Einfach ginge dies zum Beispiel mit dem chronologischen Zeitfaktor, der ganz einfach analysiert und ausgegeben werden könnte. Die Herausforderung ist dabei vor allen Dingen, diese Informationen in eine geeignete Darstellung zu überführen.

Andreas: Ich spinne besonders gerne in die Zukunft! Natürlich nehmen wir uns auch die Freiheit, uns über Möglichkeiten Gedanken zu machen, die mit dem heutigen Stand der Technik noch nicht realisierbar sind. So sagte jüngst ein Kollege: Am besten wäre es, wenn überhaupt niemand mehr Protokoll führen müsste! Alles, was in einem Meeting gesprochen wird, würde aufgezeichnet und ein System unterscheidet anschließend automatisch relevante von irrelevanten Informationen. Dieses System würde diese Informationen speichern, stellt diese dar und verknüpft sie im besten Falle noch automatisch. So würde dann mehr Raum für Kreativität und konstruktive Diskussionen bleiben, ohne dass jemand seine Konzentration dem Aufschreiben der Informationen widmen müsste. Genauso gibt es noch viele spannende Aspekte bei der Analyse von Informationen. Aktuell hat das menschliche Hirn die Macht – in der Zukunft könnten vielleicht eine Künstliche Intelligenz, mit Zugriff auf die Wissensdatenbank, die relevanten Informationen vorab filtern und beispielsweise verwandte Themen vorschlagen. Das System könnte auch eine Moderationsfunktion übernehmen, das Gespräche analysiert und Hinweise geben kann wie beispielsweise, dass Themen in anderer Runde bereits besprochen worden waren – so könnten Redundanzen vermieden werden.

Das sind viele Dinge, die ein System den Menschen in Zukunft abnehmen könnte. Doch welche Aufgaben werden wohl auch langfristig beim Menschen bleiben?

Andreas: Ganz eindeutig die Visionen und die Neugierde – auch und gerade für die Technik. Da wird kein System so schnell den Menschen ersetzen können!

 

Danke für das Interview!